Ja, es stimmt. Die Hochsaison der Kräuterfrauen ist im Mai – Juni für Wildgemüse und in August – September für die aromatischen Heilpflanzen. Aber Saison ist immer. Genaugenommen fängt das (Kräuter-)Hexenjahr im November an, denn schon dann bereiten sich die Knospen aufs Frühjahr vor.
In der „Nebensaison“ wird auch gesammelt. Alles, was nun mal nicht zu den Hauptsammelzeiten am Kräftigsten ist und vor allem Rinden, Knospen und Wurzeln (dazu mehr demnächst im Schwesternblog earthwitch.wordpress.com).
Aber auch „Frischkostfans“ kommen auf Ihre Kosten. Viele Kräuter gibt es ganzjährig. So legen Gänseblümchen, Hirtentäschel und Klatschmohn ihre Blattrosetten für das nächste Frühjahr schon im Herbst an. Unter Schnee- und Blätterdecken sind sie knackig und frisch zu finden. Wer nicht rausgehen mag, der hat sich hoffentlich im Herbst die Samen gesichert und zieht sich Keimlinge oder Pflanzen auf der Fensterbank.
Ich wollte euch heute ein paar der neuen Exemplare vorstellen. Schon vor Weihnachten blühten bei uns am Feuerwehrteich viele Gänseblümchen. Und es heißt ja: Wer die ersten drei Gänseblümchen eines Jahres isst, wird das ganze Jahr nicht krank (ich habe aber auch in einigen Publikationen gelesen, dass man die nicht anfassen oder pflücken darf – also schön wie Gans und Kuh direkt mit dem Mund! 😉 ).
Nun, das war wohl nichts. An unserem Teich waren die Bagger und nicht ein Blümchen war mehr zu finden. Schade… und in den Wald bin ich dieses Jahr noch nicht gekommen.
Was machen also verzweifelte Kräuterhexen? Notfalls eben mal in den eigenen Garten gucken und – sofern man das Federvieh von abhalten konnte – zeigen sich auch hier dank der milden Witterung die ersten Blättchen.
Es ist die Zitronenmelisse (es gibt mehrere Melissenarten, aber diese ist besonders heilkräftig).
Wer sie zu Heil- oder Aromatherapeutischen Zwecken nutzen will (wobei Aromatherapie ja genaugenommen auch eine hochwirksame Heiltherapie ist), muss unbedingt darauf achten, wirklich die echte Zitronenmelisse zu bekommen und leider ist, bei käuflichem Erwerb, dort wo Zitronenmelisse draufsteht, nur selten Zitronenmelisse drin. Es ist auch hier, wie in unserer Lebensmittelindustrie: wir bekommen nur noch „Sieht aus wie“ und „schmeckt wie“-Dinge.
Was heute als Zitronenmelissenöl, -duft, oder -zusatz deklariert wird, sind meist andere Pflanzen, die eben ähnlich duften, im schlimmsten Fall sogar ein synthetischer Duftstoff. Das liegt ganz einfach daran, dass echtes ätherisches Melissenöl sündhaft teuer ist, so teuer, dass ihr das pur in Deutschland gar nicht bekommt. Bei Primavera gibt es das Öl z. B. nur in Verdünnung. Trotzdem lohnt sich die Anschaffung sowohl von der Pflanze, als auch des ätherischen Öls. Achtet bitte darauf, dass der richtige lateinische Name hinter der Bezeichnung steht: Melissa officinalis.
Das gilt selbst dann, wenn ihr das Öl in der Apotheke bestellt. Ich habe viele Apotheken in meinem Umkreis mit der Beschaffung beauftragt und nicht eine hat mir das Echte beschaffen können, sie waren immer gleich mit dem billigen Ersatzstoff zur Hand.
Warum empfehle ich die Melisse?
Ganz einfach. Sie sollte zu den Standardkräutertees- und Anwendungen unserer Zeit gehören, denn sie:
- senkt den Blutdruck
- beruhigt Nerven und Verdauungssystem
- stärkt das Herz
- wirkt gegen Viren
- wirkt bei Stress
- besänftigt Herzklopfen (selbstverständlich vorher ärztlich abklären lassen)
- lindert Wechseljahresbeschwerden
- lindert Menstruationsbeschwerden
- hilft bei Wetterfühligkeit und
- Kopfschmerz
- lindert Allergien
- hilft bei Schlaflosigkeit
- löst schwere Gedanken
- löst Krämpfe
- stillt Schmerzen
- entspannt.
Auch wer zu niedrigen Blutdruck hat, darf sich gern mal ein Tässchen genehmigen. Heilpflanzen sind nicht so stark in eine Richtung orientiert, wie synthetische Mittel. Die Melisse balanciert eher die Werte.
Diese Pflanzenkraft wird leider heute kaum noch beachtet. Wie oft sehe ich gerade junge Mütter zu Schmerzmitteln (für die Kinder) greifen, obwohl sie vielleicht noch nicht nötig wären.
Das jüngste Negativbeispiel konnte ich leider im eigenen Umfeld beobachten, wo diese Mittel schon bei einfacher Unruhe verabreicht wurden und das vom Kind selbst, weil es „die Medikamente liebt und sie schätzt“. Ein krankes Kind gehört, tut mir leid, das ist meine Meinung, nun mal ins Bett. Und wenn wir es derart mit Schmerzmitteln vollpumpen, dass es seine Krankheit scheinbar nicht mehr spürt und dafür durch die Wohnung tobt, müssen wir uns über Folgeschäden nicht wundern.
Ich will damit nicht sagen, dass wir keine Medikamente mehr verabreichen dürfen, aber ich bitte darum, das „Maß“ im Auge zu behalten…
Obwohl es Melissentee sogar in der ganz normalen Teeabteilung gibt, solltet ihr ihn nun nicht unbedingt literweise trinken. Das gilt für jedes Heilkraut. Selbst literweise Wasser schadet mehr als es nutzt.
Den Tee nach Möglichkeit immer frisch aufbrühen, denn gerade Melisse verliert viel während des Trocknungsprozesses und selbstverständlich gehört zur Wirkstoffschonung während des Ziehens ein Deckel auf das Tässchen.
Wer unter Herpesblässchen leidet, sollte ab und an mal ein frisches Blättchen kauen (antivirale Wirkung).
Es gibt also viele gute Gründe, sich ein Kräutertöpfchen Melisse beim nächsten Einkauf mitzubringen. Als Morgen- oder Abendtee ist sie nicht nur gesund, sondern auch lecker. Und wer selbst Cremes und Lippenstifte rührt, tut sich wirklich etwas Gutes, wenn er einen Tropfen des ätherischen Öles mit hinzufügt.
Imker setzen ihre Stöcke gern neben die Melisse oder reiben die Bienenbehausungen auch mit Melisse aus, um Bienen anzulocken oder zum Bleiben zu ermutigen.
Völlig entspannte, stressfreie Menschen brauchen die Melisse vielleicht nicht. Nur kenne ich nicht einen, auf den das zutrifft. Und eine Pflanze gegen Viren im Haus zu haben, ist nie verkehrt. Ich persönlich liebe auch ihren herrlichen Duft.
Wer es einfach haben will, kann sich natürlich auch den klassischen Melissengeist kaufen. Ich persönlich bevorzuge den „balsamischen Melissengeist“ von Weleda, da ist schon der Name kuschelig…
Wer Kinder hat, oder Alkohol nicht mag, kann den Geist in Tee oder auf einen Zuckerwürfel tropfen, was den Alkohol verdunsten lässt.
Leider muss ich die Erfahrung weitergeben, dass viele Apotheken Kräuter zunehmend aus dem Sortiment nehmen. Sie werden schlicht kaum verlangt. Meine Hausapotheke kündigte mir schon an, dass ich vermutlich ganze „Anstaltspackungen“ abnehmen müsse, damit sie nicht auf den Resten sitzen bliebe. Aus kaufmännischer Sicht kann ich das verstehen, aber hier werden uns die Heilkräuter auf eine Art genommen, an die noch keiner gedacht hat. Wer also eine Apotheke gefunden hat, die den Kräuterwünschen noch nachkommt, sollte sie sich warmhalten.
Ansonsten: Garten, Fensterbrett, Wald… geerntet werden kann überall!
Ein frohes und vor allem gesundes Neues Jahr!