Das Scharbockskraut treibt den Scharbock aus

Das Scharbockskraut hat sicherlich jeder schon mal zu Füßen gehabt. Und ich gebe zu, dass auch ich schon unachtsam daran vorbeigegangen bin.
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Es sind so ziemlich die ersten Blättchen, die uns im Frühjahr begrüßen und jetzt sollten wir sie auch ernten. Der Name „Scharbock“ kommt von „Skorbut“ und daher hat das geheimnisvolle Gewächs auch seinen Namen. Geheimnisvoll? Natürlich! Selbst für die heutige Wissenschaft.

So findet ihr mit ziemlicher Sicherheit in allen einschlägigen Kräuterbücher den Hinweis, dass das Scharbockskraut ein Hahnenfußgewächs ist. Da man heute auch in die Gene schauen kann, hat man herausgefunden, dass dem eben nicht so ist. Wer weiß, was das Kräutlein uns noch alles zuflüstern kann, wenn wir wieder das Zuhören lernen?

Unsere Vorfahren, vor allem die Seefahrer unter ihnen, nahmen das Kräutlein mit auf die Reise um Unterwegs mit Vitamin C (gegen den Skorbut – eine gefährliche Vitaminmangelkrankheit) gewappnet zu sein. Vitamin C ist nach den entbehrungsreichen Wintermonaten nie verkehrt, daher empfehlen auch kluge Kräuterhexen das Scharbockskraut in Würzdosis für den ersten Frühlingssalat, die Neunkräutersuppe (die dieses Jahr wohl hauptsächlich aus Eisblumen bestand) und für Brotaufstriche.

Den frühen Austrieb des Krautes sollten wir auch nutzen. Sobald die Blüten erscheinen, wird es nämlich recht ungenießbar. Dann fließt das Protoanemonin aus den Wurzelknöllchen nach oben.

Womit wir nun auch wissen, wo es vorher war und was jetzt anstatt der Blüten essbar wäre. Tatsächlich gibt es Menschen, die diese Miniknöllchen, die wie Zwergenkartoffeln aussehen, essen. Das lohnt aber der Mühe nicht.

Wer gern ab und an das Scharbockskraut gegessen hat, merkt auch am Geschmack, dass sich beim blühenden Kraut etwas ändert: Statt der angenehmen Schärfe wird es nun bitter.

Und wer aus welchen Gründen auch immer nun doch blühendes Scharbockskraut in seinem Essen hatte, der wird wahrscheinlich auch nicht gleich vor seinen Schöpfer treten, denn Protoanemonin kann Schleimhautreizungen,  Übelkeit und Erbrechen erzeugen, was aber immer eine Frage der Dosis ist.

Wer jetzt immer noch ängstlich ist, dem sei gesagt, dass jede kleine grüne Stelle an seinen Kartöffelchen zu Haus auch giftig ist. Ebenso an den Tomaten. Und wer auf alte Kartoffelsorten schwört, hat eh die „giftigeren“ auf dem Tisch. Bohnen darf er auch nie wieder essen…. wenn die nicht ganz durchgegart werden… Wir gehen schon seit Jahrhunderten mit schwach bis stark giftigen Nahrungsmitteln um, wissen halt wie und keiner Hausfrau macht das Angst. Ich kenn jedenfalls keine, die Kaffee, Salz oder Bohnen vom Speiseplan gestrichen hat. Ja auch Salz.

Also versucht ruhig die kleinen grünen Vitamin C Bomben. Noch blüht (zumindest im Norden) nichts.

Auch medizinisch fand das Kraut seine Anwendung: Culpeper, ein in England und Amerika hoch angesehener Kräuterheiler des Mittelalters, empfiehlt den Scharbock auch bei Schilddrüsenproblemen (wie z. B. Kropfbildung) und Lymphknotenschwellung. Er will das an seiner eigenen Tochter ausprobiert haben, die innerhalb einer Woche eine deutliche Besserung erfahren haben soll. Armen Leuten empfielt er, das Kraut äußerlich am Hals zu tragen. Das soll wirksam sein, auch wenn es keine direkte Verbindung zum Krankheitsherd hat.

Auch Hautgeschwüre jeder Art und Hämorrhoiden (schreibt man das noch so? Ach was, ich bin Schleswig-Holsteinerin, ich darf schreiben, wie ich will) wurden (werden) mit dem Scharbockskraut erfolgreich behandelt.

Kosmetisch kann man ein Hauttonikum für unsere aknegeplagte Jugend machen. Wie schon im vorhergehenden Kapitel, mit destilliertem Wasser und Apfelessig. Für das Tonikum oder auch für eine Teeanwendung (bei o. g. Beschwerden) empfiehlt sich getrocknetes Kraut, das ist nicht so scharf und außerdem enthält die getrocknete Droge kein Protoanemonin mehr.

Als Hämorrhoidenmittel steht die Pflanze wieder im englischen Arzneimittelbuch, über die anderen Anwendungen weiß die moderne Medizin nichts.

Also schaut sie euch mal an, die kleine unscheinbare Pflanze vor euren Füssen. Schnell, bevor sie sich wieder zurückzieht. Vielleicht flüstert sie euch auch zu, dass sie euch helfen möchte. Ob nun als kleine Vitaminzufuhr oder gar als Heiler. Wir müssen es wieder Lernen, das Kontakt aufnehmen. Darum glaubt keinem was. Keinem Kräuterbuch und mir auch nicht. Fragt die Pflanze! Sie ist da draußen und wartet geduldig. Vielleicht wird sie eure Freundin.